Die Opel GT Entwicklung





 




 



 
 Keine Zeit?                                                                                                           AMS 1966

Als Opel auf der letzten IAA (1965) einen "GT" vorstellte, glaubte die Fachwelt nicht daran, daß dieser Wagen mehr sein könnte als einer der zahlreichen "Experimental-Cars", die das Licht der Welt nur erblicken, um Aufsehen zu erregen und danach wieder zu verschwinden. Mit Bedauern nahm man zur Kenntnis, daß der GT Details enthielt, die man den serienmäßigen Opel-Wagen bisher vergeblich wünschte. Unterdessen aber hat nicht nur die an Längslenkern mit Panhardstab und Schraubenfedern aufgehängte Hinterachse Chancen einmal die jetzige Opel-Primitivachse abzulösen (die amerikanischen General Motors Firmen bauen solche Achsen schon serienmäßig), sondern auch der Wagen selbst scheint noch nicht abgeschrieben zu sein. Die technische Erprobung wird vorangetrieben, und im Rüsselsheimer Styling-Zentrum unter seinem amerikanischen Chef McKichan entstand eine seriennähere Ausführung der Karosserie. Sie besitzt eine etwas kürzere vordere Haube, eine größere Windschutzscheibe und einen breiteren Innenraum.

Die zweisitzige Grundkonzeption mit sehr engen hinteren Notsitzen wurde beibehalten, und auch auf die versenkbaren Scheinwerfer hat man nicht verzichtet. Die Motorhaube mußte Ausbuchtungen bekommen, damit die serienmäßigen Motoren untergebracht werden können. Versuchsweise werden Motoren sowohl der Kadett- als auch der Rekord-Reihe eingebaut man denkt offensichtlich daran, nach dem Vorbild der Chevrolet Corvette verschiedene Versionen vom zahmen 55 PS Kadett S bis zum leistungsgesteigerten 1,9  Liter Rekord - Vierzylinder anzubieten. Mit einem modifizierten 1.9 Liter soll der GT nach Angaben von Entwicklungsleiter Strobel über 200 km/h erreichen.

Zweifellos könnte dieses äußerlich überaus sportliche Auto ein gutes Geschäft werden, wenn es zu einem günstigen  Preis angeboten wird. Aber die Entscheidung darüber ist noch nicht gefallen. Chefingenieur Mersheimer: "Wir wissen heute noch nicht einmal, wo wir die Karosserie bauen lassen könnten. In unseren eigenen Werken haben wir dafür keine Zeit!"


 


 






 
 
Nachdem der Experimental auf der IAA 1965 auf sehr reges Publikumsinteresse gestoßen 
war, entschloss sich Opel bereits 1966 zur Serienproduktion. Die Geburtstunde für den Opel GT hatte geschlagen, oder für das "Projekt  1484", wie es bereits ab 1962 hieß. Zwei Abteilungen des Werkes waren maßgeblich  an dem neuen Auto beteiligt:

- die Styling-Abteilung mit der formalen Entwicklung
- die Produktentwicklung und Konstruktion mit der technischen Entwicklung

Die technische Entwicklung kümmert sich um Motor, Getriebe, Achsen des neuen Wagens. Das Styling machte sich Gedanken über sein Aussehen, über sein Gesicht - es entwirft die Karosserie.

Bei dem Entschluß, einen neuen Sportwagen zu entwickeln, ist durch die Marktlücke, in die er passen muß, die Größe schon ungefähr festgelegt. Man hatte sich schon geeinigt, ob der Motor vorn oder hinten liegen soll, wieviel Sitze der neue Wagen haben soll und was er ungefähr kosten darf. Der Auftrag an die Styling-Abteilung lautete hier ganz klar: Entwickelt uns einen zweisitzigen Sportwagen mit vornliegendem Motor und Hinterradantrieb und einer attraktiven Karosserie. Die Aufgabe wurde gelöst, aber noch stand man ganz am Anfang.

Die Styling-Abteilung war bei Opel in Rüsselsheim ein weiträumiger, flacher und hoch- moderner Bau, völlig unabhängig von den anderen Werksanlagen. Insgesamt gab es sechs Studios, drei davon für die Karosseriegestaltung. Hier bekam der Opel GT seine äußere Form, während in einem vierten Studio der Innenraum gestaltet wurde. Hierzu kamen noch zwei Ateliers, die mit dem aussehen der neuen Fahrzeuge nur mittelbar etwas zu tun hatten: das Karosserie-Entwicklungs-Atelier, das sich mehr mit technischen Dingen befasste, etwa damit, dass die für das neue Modell vorgesehenen Motoren auch in die neuentwickelte Karosserie passen. Das letzte Atelier war mit Forschungsaufgaben betraut.

  





Eines der drei Studios für die Gestaltung des Wagenäußeren ist das "Vorausentwicklungs- atelier". Es beschäftigte sich nicht nur mit der Weiterentwicklung der gerade gebauten Fahrzeuge, sondern auch mit Projekten, die in ferner Zukunft liegen. Hier befasste man sich  mit Dingen, die in fünf bis zehn Jahren zeitgemäß sein könnten.  Die Idee zum Opel GT wurde hier unter der Leitung von Clare MacKichan geboren. Das Team bestand damals aus
10 bis 12 Personen: Studioleiter, Assistent, technischem Ingenieur, Ingenieur-Assistent, vier Designer und vier Modelleure.


 
 

 



Die ersten Entwürfe von Erhard Schnell waren noch sehr konventionell.  Andere Skizzen von Murad Nasr zeigen schon extravagantere Züge. Viele deutliche GT-Merkmale waren bereits zu erkennen: Heckleuchten, Vorderkotflügel, Auspuff und die vordere Stoßstange.
Der Monza GT war ein großes Vorbild für die ersten Entwürfe.

 




Die Skizzen wurden wieder und wieder verändert, bis schließlich das "technische Layout" festgelegt werden konnte, in dem die Sitzposition, die Motorlage, die vorderen Kotflügel im typischen Monza GT-Stil, das Heckteil und der Kraftstoffbehälter enthalten sind.  Nach diesem Layout wurden die ersten Modelle angefertigt. Sie bestanden aus Plastilin und wurden im Maßstab 1: 5  gefertigt. Der rund vier Meter lange Opel GT war hier also nur etwa 80 cm lang. Unter den kleinen Plastilinmodellen wurde wieder eine Auswahl getroffen. Auch der Kalkulator trat in Aktion und schätze grob die Herstellungskosten der hier im Modell ausgeführten Karosserien.

   
 
 
 
 

 




 




Sehr früh kamen die 1:5-Modelle schon in den Windkanal. Dort zeigte sich, ob die neuen Formen auch von ihrer Funktion her gut sind  und einen günstigen Luftwiderstandsbeiwert
besitzen. Aus den 1:5-Modellen wurde schließlich eines ausgewählt, das formal wie funktionell besonders gefiel.

 




Dieses Modell wurde dann im Maßstab 1:1 hergestellt, zunächst ebenfalls aus Plastilin. Den Plastilinmodellen konnte mit Hilfe von Chromstreifen, einer Lackierung oder auch mit Klebefolien (sogenannte Dy-Noc-Folien) zu einem täuschend echtem Aussehen verholfen werden.

 





 





Neben den Modellen in natürlicher Größe gab es noch eine andere, erstaunlich einfache und  dennoch bewährte Methode, sich den Wagen im Maßstab 1:1 zu betrachten: das Klebestreifen-Verfahren. Aus verschiedenen farbigen Klebefolien und aus Fotos, etwa von den Felgen oder den Scheinwerfern, konnte man fast plastisch wirkende Zeichnungen an die Wand kleben. Diese Zeichnungen ließen sich viel einfacher als die Plastilinmodelle verändern, um etwa verschiedene Formen bei den Scheinwerfern, den Rückleuchten oder der Dachform auszuprobieren.


 





Über solcher Arbeit waren etliche Monate vergangen, und es kam der erste "große Augen- blick" im Leben des Projektes. Das 1:1 Plastilin-Modell, das auf seinem rollbaren Untersatz unzählige Male in den Hof gerollt und unter freiem Himmel betrachtet wurde, war zunächst einmal "fertig". Es wurde einem ausgewähltem Kreis aus der Geschäftsleitung vorgestellt.

Wird das Modell Anklang finden ? Wird es später dem Käuferpublikum gefallen ? Immerhin ist die Stylingabteilung den Wagen, die damals in den Schaufenstern standen, um geraume Zeit voraus.

Das Plastilinmodell im Maßstab 1:1 ließ sich noch einigermaßen leicht verändern. War man sich über die Form einig, so ging man einen Schritt weiter und baut ein Gipsmodell, ebenfalls im Maßstab 1:1.

 




Die Grundform des Wagens war damit festgelegt; jetzt ging es noch darum, kleinere Dinge wie Radausschnitte, seitliche Zierelemente, Scheinwerfer oder Heckleuchten so zu gestalten, daß sie am besten aussehen. Das Gipsmodell ist zwiegesichtig, es ist rechts und links in diesen Dingen verschieden, so daß man hier zumindest unter zwei Möglichkeiten wählen kann. Das Gipsmodell wurde übrigens dem echten Auto schon weitgehend angenähert, es wurde lackiert, es bekam ein Armaturenbrett eingebaut, die Sitzrücken sind zu sehen.

Wie ist das überhaupt mit der Innenausstattung wann wird an sie gedacht? Hierfür ist das vorhin erwähnte Atelier für die Gestaltung des Innenraums zuständig. Sobald die Abmessungen für den Innenraum einigermaßen feststehen, baut man dort einen "Sitzkasten" aus Holz in natürlicher Größe. Darin werden das Armaturenbrett, die Sitze und alle Bedienungsknöpfe angeordnet selbst die Innenverkleidung der Türen mit allen Griffen und Bezügen findet sich hier. Im Sitzkasten werden auch neue Sitzkonstruktionen ausprobiert dafür hat man dreidimensionale "Oskars", bewegliche Puppen, mit denen sich messen läßt, ob Sitze anatomisch richtig geformt sind oder nicht.

  









Nach dem Gipsmodell in natürlicher Größe fertigen zuweilen die Opelingenieure noch ein Modell aus glasfaserverstärktem Kunststoff an. Mit diesem Material, das sich feucht in jede beliebige Form bringen läßt und nach dem Trocknen starr wird, läßt sich verhältnismäßig leicht eine vollständige, fertig eingerichtete Karosserie bauen. Man kann sich hineinsetzen und die Türen schließen, ja man könnte mit diesem Modell wegfahren wenn es Motor und Getriebe hätte.

 




Ist der Wagen als Gips- oder Glasfasermodell im Maßstab 1:1 fertig, so kommt wieder ein großer Augenblick": Ein letztes Mal wird das Automobil von allen Seiten begutachtet und, nachdem es freigegeben ist, vom Styling an die  Produktentwicklungs- und Konstruktionsabteilung abgeliefert.

Dort setzte man die in Gips oder Glasfaser modellierte Form in Karosserieblech um. Zunächst wurde ein riesiger dreidimensionaler Plan aus Aluminiumblech angefertigt. Nach diesem Plan wiederum bauten die Werkzeugmaschinen-Leute dann ihre Pressen, mit denen die neue Karosserie später hergestellt wurde.

Noch immer aber dauerte es mindestens ein Jahr, bis der neue Wagen auf seinen Rädern stand. Für das Styling war die Aufgabe vollendet, für die Konstruktion fing sie erst richtig an. Motoren, Getriebe, Achsen, die vorher entwickelt und auf Prüfständen oder in anderen Fahrzeugen erprobt worden sind, wurden jetzt zum erstenmal in die richtige Karosserie eingebaut. Es entstanden die so geheimnisvollen Prototypen, mühsam von Hand angefertigte Einzelstücke des neuen Autos. Der Bau eines solchen Wagens dauerte zum Teil Monate und kostete zwischen einer halben und einer ganzen Million Mark!

 




Was ursprünglich nur ein Gedanke, eine Konzeption war, im Prototyp bekam es zum erstenmal Leben. Bis der neue Wagen der Öffentlichkeit vorgestellt wird, vergehen meist noch Monate im Fall des Opel GT waren es sogar mehr als drei Jahre. Denn zunächst hatte das "Projekt Opel GT" noch einen Test zu bestehen: Der erste handgefertigte Prototyp wurde 1965 auf der Internationalen Automobil-Ausstellung in Frankfurt (IAA) dem Publikum vorgeführt. Opel wollte erst einmal sehen, wie das Publikum auf einen solchen Wagen ansprach. Der GT war schließlich der erste reinrassige Sportwagen aus Rüsselsheim und solch ein Sonderfall, der sich nicht mit den Maßstäben der normalen Produktion messen läßt, verlangt natürlich besonders sorgfältige Überlegungen.

Nun, das Publikum in Frankfurt war von diesem "Experimental-Wagen" begeistert. Und dies gab den letzten Anstoß, den Wagen fertig zu entwickeln, den man damals nach fast fünfjähriger Entwicklungsarbeit kaufen konnte.